Politikberater: „Die Bürger mit Horrorszenarien in Panik zu versetzen, ist ziemlich unverantwortlich!“
In sieben bis acht Jahren könnte ein Angriff Russlands auf Nato Territorium erfolgen. Mit dieser Behauptung rechtfertigte Bundesverteidigungsminister Pistorius seinen Aufruf zur Kriegstüchtigkeit. Doch der SPD-Politiker ist bisher eine Begründung und Belege für seine Darstellungen schuldig geblieben, kritisiert der Politik- und Kommunikationsberater Dennis Riehle (Konstanz). Er erklärt wie folgt:
Es gibt im Augenblick offenbar keinerlei Anzeichen oder Hinweise auf einen möglichen Angriff von Russland auf NATO-Territorium. Deshalb ist die von Pistorius ausgerufene Kriegstüchtigkeit lediglich ein Instrument der Panikmache, um auch in der Bevölkerung und bei den Abgeordneten des Bundestages die Bereitschaft zu mehr Investition in die Armee zu erhöhen. Schlussendlich sollte man von einem Verteidigungsminister erwarten, dass er derart Verunsicherung verbreitende Behauptungen über einen möglichen Krieg – von Putin ausgehend – gegen die Europäische Union oder explizit Deutschland zumindest mit konkreten, eindeutigen und belastbaren Belegen untermauern kann. Nachdem sich aber auch der Kanzler – erwartungsgemäß – nicht zu diesen Äußerungen einlässt, verfangen die Rufe nach neuer Aufrüstung kaum. Das Narrativ einer imperialistischen Expansionspolitik des Kreml bis nach Berlin scheint letztendlich nur ein Szenario zu sein, welches sich außerhalb der Wirklichkeit und vor allem im Kopf des SPD-Politikers abspielt. Solange er nicht bereit ist, seine Schreckensbilder mit einer plausiblen Begründung zu rechtfertigen, darf er sich nicht wundern, dass seine Worte verhallen – und die Beliebtheitswerte sinken.
Immerhin stünde die Bundeswehr heute auch deutlich besser da, hätten wir nicht wesentliche Bestände an Waffen, Munition und Ausrüstung an die Ukraine ausverkauft. Denn selbst nach fast zwei Jahren Auseinandersetzung hat dieser finanzielle und materielle Tropf des Westens, an den Selenskyj und sein Militär gehängt wurde, nicht weitergeführt als zu einem Abnutzungskonflikt, der jeden Tag neues Leiden und Sterben produziert. Hätte man sich sehr viel früher auf diplomatische Initiativen eingelassen – die es offenbar auch explizit gab – müsste man heute wahrscheinlich auch nicht darüber spekulieren, welche nächsten Ziele dem Machthaber in Moskau vorschweben. Nachdem immer offensichtlicher wird, dass es in der Vergangenheit Möglichkeiten der diplomatischen Gespräche zwischen Ukraine und Russland gegeben hätte, die aber wohl vornehmlich aus Kiew ausgeschlagen wurden, erhärtet sich mein Verdacht, dass es Selenskyi vor allem um einen persönlichen Rachefeldzug gegen Putin geht. Natürlich darf es keine Kapitulation gegenüber dem Invasoren geben.
Aber gerade, weil man nun so lange gewartet hat und immer tiefer in einen Abnutzungskonflikt hineingezogen wird, der in einer beispiellosen Art und Weise der jüngeren Geschichte zu einem Verschleiß von Mensch und Material geführt hat, scheint es nun zwingend, sich auch im Westen und im ukrainischen Präsidentenpalast darüber bewusst zu werden, dass eine militärische Entscheidung zugunsten von Kiew aussichtslos ist. Mittlerweile sehen das auch viele Experten so – und fürchten gar noch eine deutliche Eskalation im Krieg, wenn es nicht nun schnellstmöglich gelingt, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen. Mit einem vorläufigen und pragmatischen Kompromiss, allein um der Opfer, des Sterbens und Leidens an der Front willen, sollte unter der Hinzuziehung von Vermittlern, die sich immer wieder angeboten haben, zumindest ein Unterbruch der Kampfhandlungen erwirkt werden. Dass sich Selenskyj nun sogar Wahlen verweigert und sich damit einem Votum des Volkes über das weitere Vorgehen entzieht, scheint darauf hinzudeuten, dass es ihm nicht daran gelegen ist, über seinen eigenen Schatten zu springen.
Der bestialischen Angriff auf sein Land darf nicht ungesühnt bleiben. Sanktionen und Isolation sind weiterhin geboten. Doch allein aus der Vernunft heraus, dass diese derzeit festgefahrene Auseinandersetzung lediglich für viele weitere Soldaten und Zivilisten den Tod bedeutet – ohne irgendetwas zu gewinnen, wäre es möglicherweise weiser, auch auf manche Berater im Umfeld des ukrainischen Präsidenten zu hören. Selbst bei einer weiteren Unterstützung mit Finanzmitteln und Waffen durch den Westen lässt sich der momentane Ist-Zustand kaum noch zum Besseren wenden. Insofern sollte vor allem darüber abgewogen werden, inwieweit autonome und demilitarisierte Zonen in den besetzten Gebieten zum Einfrieren der aktuellen Situation und einer unabhängigen, von außen unbeeinflussten und international anerkannten Abstimmung der dort lebenden Bevölkerung über ihre Zukunft beitragen können.
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