Psychosoziale Sprechstunde sorgt sich auch um immer mehr einsame, deprimierte und freudlose Mitbürger
Die Psychosoziale Sprechstunde, eine bundesweit aktive ehrenamtliche Beratungsstelle für Menschen in seelischen Krisen und in materieller Bedürftigkeit, verzeichnet immer mehr Hilfesuchende, die sich in akuter Armut oder von Wohnungslosigkeit bedroht an sie wenden. Das Ausmaß sei mittlerweile besorgniserregend, erklärt der Leiter des Projekts, Dennis Riehle (Konstanz), in einer aktuellen Aussendung. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum seien die Zahl der Anfragen um 245 Prozent gestiegen. Und immer öfter geht es um tatsächlich unmittelbar bevorstehende oder bereits eingetretene Existenznöte: „Wir erleben vor allem einen Zulauf von Personen, die trotz Gehalts oder Rente die Miete nicht mehr bezahlen können und vor einer Obdachlosigkeit stehen. Auch erreichen uns immer mehr uns Gesuche von Betroffenen, die neben ihrem Einkommen auf Grundsicherungsleistungen angewiesen sind, um den Alltag bewältigen zu können. Schlussendlich geht es dabei nicht um die vielfach in diesen Tagen kritisierten Berufsaussteiger, die es ausschließlich aus monetären und Gründen der Bequemlichkeit auf Bürgergeld abgesehen haben. Stattdessen handelt es sich vielfach um seit Jahrzehnten im Job stehende Erwerbstätige, die mittlerweile mehrere Arbeitsstellen zugleich haben und ihre Familie trotzdem nicht hinreichend versorgen können. Da fehlt es oftmals am Nötigsten – manchmal sind am Monatsende Lebensmittel oder Hygieneartikel rar. Besonders erschreckend ist dabei auch, das ist immer mehr Einkommensbezieher betrifft, die sich einst zur Mittelschicht zählten und mit ihren Einkünften problemlos auskamen. Doch die massive Inflation, insbesondere der exorbitante Anstieg von Mieten, führt immer mehr potenzielle Bezieher von Wohngeld zu uns. Und auch nach langwieriger Krankheit, worunter sich eine nicht unbeträchtliche Zahl an Long-Covid-Patienten findet, werden immer häufiger Ansprüche auf Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe formuliert. Nicht zuletzt sind es hochaltrige Klienten und ihre Angehörigen, die sich nach Pflegeleistung oder staatlichen Finanzspritzen für den Fall der Unterbringung in stationärer Versorgung erkundigen. Wir können dabei nur eine allgemeine Aufklärung über die Gesetzeslage leisten, ohne dabei aber eine individuelle Prüfung des Einzelfalls vorzunehmen. Denn sie ist Rechtsanwälten vorbehalten“, erklärt der Psychologische und Sozialberater.
Zum Nachdenken bringe ihn auch, dass sich immer mehr einsame Menschen melden. Aber auch jene mit einem konkreten Verdacht auf eine ernsthafte depressive Verstimmung. In diesen Fällen unterstützt die Anlaufstelle mit einer Vermittlung und Orientierung bei der Therapieplatzsuche, gibt Tipps aus der Selbsthilfe und zur Gesundheitsförderung, steht mit Anregungen aus dem mentalen Training und durch Anleitung zu Stressreduktion und Entspannung zur Seite, gibt Hinweise zu einer Ernährungsumstellung, leistet Coaching und Seelsorge, fördert mit Hilfestellungen die Schlafhygiene, begleitet bei der Persönlichkeitsentwicklung und in spirituellen Konflikten, bei Anzeichen für ein Ausgebranntsein aufgrund von Arbeitslosigkeit, familiären Konflikten, Erziehungsproblemen oder nach Verlusten, gibt Zuspruch in Trauer und Rat bei Mobbing. „Und nicht zuletzt tragen wir mit unserem Konzept einer kognitiven Beratung vor allem dazu bei, eigene Glaubenssätze und Erwartungshaltungen an das eigene Ich zu überprüfen, mit der Ermutigung zur Aktivierung und Positivismus in die Realität des Hier und Jetzt zurückzukommen, mit Achtsamkeit das Bewusstsein zu schärfen und in der Aufmerksamkeit für die kleinen Dinge des Alltags zu mehr Gelassenheit zu finden. Daneben ist es mir persönlich ein Anliegen, die Resilienzfähigkeit des Einzelnen zu stärken, da ich aus eigener Betroffenheit zahlreicher körperlicher wie psychischer Leiden und Schicksalsmomenten um die Bedeutung des Durchschreitens von Tiefen und Tälern weiß. Wir wollen das Gefühl geben, mit den Herausforderungen der Zeit nicht alleine zu sein – und Verständnis für die oftmalige Reizüberflutung aus den Nachrichten oder den sozialen Medien zu zeigen. In diesem Zusammenhang ist unser Tipp zur häufigeren Rückkehr in die Realität ein wichtiges Instrument, dem modernen Menschen klarzumachen, dass es sich bei der Virtualität nur um ein sehr begrenztes Abbild der persönlichen Lebenswirklichkeit handelt – und es sich allemal lohnt, neu an die realen Kontakte und das soziale Umfeld anzuknüpfen. Immerhin resultiert der nahezu kollektiv anmutende Burnout nicht zuletzt aus der Tatsache, dass wir aufgrund unserer Zuwendung zum Fiktiven einer komplexer werdenden Tatsächlichkeit gegenüber einigermaßen hilflos und ohne Werkzeugkasten gegenüberstehen. Dabei können wir durchaus weiterhin Vertrauen in unsere Selbstwirksamkeit haben. Denn der Mensch ist widerstandsfähiger, als er in der Angst und Pein zu glauben vermag“, sagt der Familienberater und Coach abschließend.
Die Psychosoziale Sprechstunde ist für alle Ratsuchenden kostenlos auf www.beratung-riehle.de erreichbar.