Darauf macht der Selbsthilfeverband intakt e.V. aufmerksam, der gleichzeitig aber auch auf den Umstand verweist, dass Betroffene viele Persönlichkeitseigenschaften mitbringen, die im Job von großem Vorteil sein können: „Einerseits sind die Betroffenen von ihrer Angst gekennzeichnet, was sich nicht zuletzt auch die Sorge vor einer ausgrenzenden Behandlung durch den Vorgesetzten oder die Kollegen deutlich macht. Auch beobachtet man bei Sozialphobikern die Befürchtung, schlechter behandelt zu werden und von der aktuellen Position nicht weiter aufsteigen zu können. Insgesamt präsentieren sich die Erkrankten bereits im Bewerbungsgespräch deutlich tiefstapelnd und wirken damit sehr schüchtern und wenig selbstbewusst“, erläutert der Vorsitzende des Vereins, Julian Kurzidim. Und der Psychologische Berater des intakt e.V., Dennis Riehle, ergänzt dazu: „Sicherlich ist manchem Chef ein wenig durchsetzungsbereiter Bewerber lieber, denn dann muss er schließlich auch nicht fürchten, alsbald mit der Forderung nach mehr Gehalt, weitergehenden Kompetenzen oder neuen Führungsaufgaben konfrontiert zu werden. Gleichzeitig wünschen sich viele Arbeitgeber wiederum selbstsichere, couragierte und von sich überzeugte Angestellte im Betrieb, deren Dickschädel manchmal mehr gefragt ist als ein angepasster und bescheidener Beschäftigter, der sich scheinbar nichts zutraut“.
Doch das müsse nach Ansicht von Kurzidim kein Widerspruch sein, denn eine soziale Zurückhaltung werde fälschlicherweise mit fehlender Eigeninitiative oder Kreativität gleichgesetzt. „Und auch, wenn Menschen mit einer Sozialphobie den Anschein vermitteln, Angst vor Heraus- und Überforderung zu haben, hängt diese Wahrnehmung nur mit der grundsätzlichen Zurückhaltung zusammen, die Betroffene als Persönlichkeitseigenschaft an den Tag legen“. Riehle erläutert hierzu, dass sich Schüchterne nicht hervortun wollen, weil sie ihr Licht unter den Scheffel stellen. Ein subjektiv als mangelhaft empfundenes Selbstbewusstsein korreliert nicht unbedingt mit der Wirklichkeit. Viel eher wissen wir aus Forschung und Praxis, dass dieser Personenkreis besonders reich an Ideen ist und sich innovativ in ein Unternehmen einbringen kann. Dafür müssen allerdings von Seiten des Kollegiums Offenheit und Verständnis für den Charakter des Sozialphobikers aufgebracht werden, weshalb wir uns mehr Aufklärung und Antistigmatisierungsarbeit wünschen“, erklären Kurzidim und Riehle abschließend und fügen an: „Gehen Sie als Vorgesetzter oder Teammitglied auf die Betroffenen zu und ermutigen sie sie zur Teilhabe. Betroffene sind dankbar dafür, sie werden keinen Streit anfangen und sicher keinerlei Intrigen spinnen, nicht mobben, unauffällig ihre Arbeit machen und keine Machtkämpfe anzetteln. Sie sind an der Sache orientiert und kooperativ, eigentlich ein enormer Glücksfall für das Klima im Unternehmen, das heute allzu oft von Missgunst, Neid und Eitelkeiten geprägt ist“.
Der Verein intakt e.V. berät sowohl Betroffene, gleichsam auch Arbeitgeber und Kollegen von Menschen mit einer sozialen Phobie. Des Weiteren ist er Dachverband zahlreicher Selbsthilfegruppen. Kontakt ist über die Webpräsenz www.schuechterne.org möglich.
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