Entscheiden sich Kinder nach einer ersten Berufsausbildung zu einem Studium, kann sich die Frage ergeben, ob die Eltern diese zweite Ausbildung noch finanzieren müssen. Entscheidend ist dabei der zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen Berufsau
Die junge Frau hatte eine Ausbildung (https://familienanwaelte-dav.de/de/)zur Holzbildhauerin absolviert, die sie erfolgreich abschloss. Drei Monate später, im Oktober 2019, nahm sie ein Architekturstudium an der Hochschule Augsburg auf. In der Zeit von Oktober 2019 bis September 2020 bezog sie Bafög, insgesamt rund 3.300 Euro.
Der Vater erhielt im Frühjahr 2021 ein Schreiben der zuständigen Behörde, die ihn dazu aufforderte, die gezahlten Bafög-Leistungen zurückzuzahlen. Der Mann weigerte sich. Er argumentierte, seine Tochter habe keinen Unterhaltsanspruch. Bei ihrem Studium handele es sich nicht um den zweiten Teil einer einheitlichen Erstausbildung, sondern um eine fachfremde Zweitausbildung. Bei dem Beruf der Holzbildhauerin handele es sich um ein künstlerisches Handwerk, wohingegen eine Architektin plane, überwache und steuere. Die Ausbildung und das Studium hätten eine inhaltlich völlig verschiedene Wissensvermittlung zum Gegenstand.
Wann sind Ausbildung und Studium eine einheitliche Ausbildung?
Damit hatte der Vater vor Gericht keinen Erfolg. Die Richter sahen einen engen Zusammenhang zwischen Ausbildung und Studium und gingen von einer einheitlichen Ausbildung aus. Es sei unerheblich, dass der Beruf der Holzbildhauerin eher dem künstlerischen Bereich zuzuordnen sei, denn auch das an in Augsburg angebotene Architekturstudium habe eine künstlerische Komponente. So müssten etwa Bewerber vor Aufnahme des Studiums im Rahmen eines Eignungstests ihre künstlerische Begabung nachweisen. Darüber hinaus seien „Bildende Kunst, Darstellen und Gestalten, Entwerfen und Baukonstruktion“ Pflichtmodule des Studiums.
Schulden Eltern ihren Kindern eine zweite Berufsausbildung?
Der Unterhalt eines Kinds umfasse die Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf, erläuterten die Richter. Das heiße, die Eltern schuldeten ihren Kindern eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den Neigungen des Kinds entspreche und die die Grenzen der wirtschaftlichen Möglichkeiten der Eltern berücksichtige. Eltern, die ihrem Kind eine solche Berufsausbildung ermöglicht hätten, seien nicht mehr verpflichtet, Kosten einer weiteren Ausbildung zu tragen. Absolviere das Kind eine Berufsausbildung und nehme im Anschluss ein Studium auf, so bestehe ein Unterhaltsanspruch des Kinds während des Studiums nur dann, wenn Ausbildung und Studium in ihrer Gesamtheit als einheitliche Ausbildung angesehen werden könnten.
Diese sei nur dann gegeben, wenn die einzelnen Ausbildungsabschnitte in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stünden und praktische Ausbildung und Studium sich sinnvoll ergänzten. Die praktische Ausbildung bzw. Fachschulausbildung einerseits und das Studium andererseits müssten dabei nicht zwingend derselben Berufssparte angehörten. Es reiche aus, wenn das eine für das andere eine fachliche Ergänzung, Weiterführung oder Vertiefung bedeute oder die praktische Ausbildung eine sinnvolle und nützliche Vorbereitung auf das Studium darstelle.
Oberlandesgericht Nürnberg am 22. Juni 2023 (AZ: 10 UF 1043/22)
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