Diese Überzeugung vertritt der Leiter der Anlaufstelle „Beratung mit Handicap“, Dennis Riehle (Konstanz), in einer aktuellen Aussendung – und bezieht sich dabei vor allem auf die weiterhin aufkeimenden Debatten über den Lebensschutz: „Wenn aktuell eine Bundesfamilienministerin die Abschaffung des Paragrafen 218 im Strafgesetzbuch fordert, dann ist das ein Schlag ins Gesicht von Menschen, die noch nicht auf der Welt sind. Denn werdende Babys haben nach meiner festen Auffassung spätestens ab Beginn ihrer Vitalfunktionen grundsätzlich ein Recht darauf, geboren zu werden. Dass wir von diesem Grundsatz durch einen Kompromiss in Form der Fristenregelung abgewichen sind und die Abtreibung bis zum Ende des dritten Schwangerschaftsabbruchs straffrei gestellt haben, bedeutet nicht, dass wir vom prinzipiellen Anspruch eines jeden im Körper einer Mutter wachsenden Kindes abrücken. Wir haben viel eher berücksichtigt, dass dem Recht auf Leben des ungeborenen Menschen das Selbstbestimmungsrecht der Frau gegenübergestellt wird“, sagt der 37-jährige Sozialberater.
„Wenn wir diese Übereinkunft nun durch die Streichung des § 218 aufkündigen, gerät die Abwägung dieser beiden Rechtsgüter in eine gesellschaftspolitische und ethische Schieflage ungeahnten Ausmaßes. Denn dann ist der Abort ab dem vierten Monat allerhöchstens noch eine Ordnungswidrigkeit – allein diese Begrifflichkeit macht schon deutlich, dass wir das werdende Leben verramschen würden. Dass ein Baby bis zum Tag der Geburt abgetrieben werden könnte, ist eine Perspektive, die mich nicht nur moralisch erschaudern, sondern vor allem menschlich zutiefst befremden würde. Und alles, weil wir einem feministischen Mainstream nicht länger standhalten und ihm Widerstand bieten können. Die Frau hat nicht nur das Recht über den eigenen Körper, sondern auch die Verantwortung zum normativen Handeln und Denken. Diese umfasst, sich bereits vor dem Geschlechtsakt Gedanken darüber zu machen, ob man Eltern werden möchte oder ob man stattdessen geschützten Sexualverkehr praktizieren will. Denn ist keineswegs zu viel verlangt, sich über solch eine Entscheidung bereits vor Verschmelzung von Samen und Eizelle bewusst zu werden. Eine Abtreibung sollte auf die wenigen Ausnahmen einer tatsächlich ungewollten Schwangerschaft bei Vergewaltigung oder ernsthafter gesundheitlicher Bedrohung von Mutter und Kind beschränkt sein und nur in Härtefällen und nach intensiver Beratung zulässig sein“, zeigt sich Riehle standhaft.
„Andernfalls öffnen wir der Beliebigkeit die Tür, die sich in aller Konsequenz im Designer-Baby niederschlagen würde. Bereits heute lässt die Präimplantationsdiagnostik eine Selektion zu, wenn Vater und Mutter nicht Eltern eines behinderten oder kranken Nachkommens werden wollen. Unter dem Vorwand, man wolle dem Kind die Herausforderung und das Leid einer Beeinträchtigung nicht zumuten, wird dann so lange probiert, bis der ideale Mensch heranwächst. Und wenn wir diese Gedanken dann noch in Verbindung mit den bereits deutlich verwaschenen Regelungen zur Sterbehilfe sehen, dann landen wir am Ende bei einem Klima der Behindertenfeindlichkeit, weil wir uns anmaßen, über die Qualität, Freude und Sinn einer Existenz mit Handicap zu urteilen, ohne die Betroffenen selbst zu fragen, wie sie empfinden. Denn die Erfahrung von mir selbst zeigt, dass Ecken und Kanten eben nicht nur Last, sondern Antrieb für persönliches Wachstum sind. Daher müssen wir verhindern, dass Ideologien und Zeitgeistigkeit zu einer Bedrängnis für Eltern eines behinderten Kindes oder beeinträchtigter Erwachsener werden, die uns einzureden versuchen, dass ein Leben mit Handicap nicht (mehr) wertig sei und die Gesellschaft nur unnötig koste“, so der Psychologische Berater und Journalist abschließend.
Die Beratung mit Handicap ist unter www.beratung-riehle.de erreichbar.
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